Nun ist also das Urteil gesprochen: lebenslange Haft mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Der Amokfahrer von Trier wird überdies in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht, und genau dies macht mir als kritischem Staatsbürger gedanklich arg zu schaffen.
Geschlossene Abteilungen psychiatrischer Kliniken beherbergen im Allgemeinen Patienten mit dramatischen psychischen Störungen, und in den seltensten Fällen psychisch gesunde Menschen. Folglich sollte ein Gericht, das die Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie anordnet, sich zuvor intensiv mit der Frage beschäftigen, ob die Schuldfähigkeit des Delinquenten infolge einer psysischen Störung eingeschränkt sein könnte.
Insofern empfinde ich das Urteil als in sich widersprüchlich. Bei möglicherweise eingeschränkter Schuldfähigkeit sollte vor allem aber die besondere Schwere der Schuld gar nicht feststellbar sein. Aus diesem Grund mag man Zweifel an der intellektuellen Integrität des Gerichts entwickeln.
Eine statistische Analyse von Urteilen bei Kapitalverbrechen in Deutschland über den Zeitraum etwa der letzten 30 Jahre zeigt einen deutlichen Trend, die besondere Schwere von Schuld festzustellen. Was ebenfalls auffällt ist, dass Gerichte mehr als häufig den Anträgen der Staatsanwaltschaften folgen. Zum ersten sei angemerkt, dass es schon philosophisch schwierig ist, Schuld überhaupt festzustellen. Dass Vertreter der deutschen Justiz dann auch noch die besondere Schwere feststellen, ist deprimierend und macht mich schlicht fassungslos.
Es ist zu befürchten, dass es genau diese juristischen Naturen sind, die in einem Unrechtsstaat für ein Kapitalverbrechen auch die Todesstrafe verhängen würden. Deutschland täte gut daran, solcherlei Parameter (besondere Schwere der Schuld) gänzlich aus den Gesetzbüchern zu streichen. Als beteiligter Richter würde ich mich heute jedenfalls schämen, dieser Zunft anzugehören.
Es bleibt abschließend zu hoffen, dass der Angeklagte und seine Verteidiger sich für einen Weg durch weitere Instanzen entscheiden, und dass sie darin erfolgreich sein mögen.
Autor: Marcus Greferath