Das innerhalb der letzten Tage und Wochen diskutierte Rassismusproblem innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft ist nicht nicht ursächlich für ausufernde Polizeigewalt.
Das Hauptproblem der amerikanischen Polizei ist, dass durch relativ geringe Gehälter sich dort Beschäftigte tummeln, die in keinem zivilen Zweig der Industrie und des gesellschaftlichen Lebens reüssieren können. Hiermit meine ich eine Gruppe von Killern, deren Gesamtanteil ich innerhalb der Polizei aufgrund meiner eigenen Erfahrungen auf etwa 15% beziffern würde.
Es sind diese Killer, die sich während ihrer Einsätze an Vertretern von Minderheiten vergehen. Aufgrund eines gesellschaftlich latenten oder manifesten Rassismus gehören hierzu Schwarze, aber auch Mitglieder der LGBT-Gemeinde, Clochards und anderer gesellschaftlichen Randgruppen. Die Täter in den Reihen der Ordnungskräfte wissen aufgrund des latenten gesellschaftlichen Rassismus, dass sie gute Chancen haben, ungestraft davon zu kommen, und dies ist das eigentliche Problem!
In den deutschen Medien wurde vielfach behauptet, der Rassismus sei das Virus, und die Polizeigewalt das Symptom. Diese Sicht ist schon deshalb befremdlich, weil sie die Schuld am Geschehen auf die amerikanische Gesellschaft zurückwirft. Richtig ist vielmehr zu sagen, dass der Rassismus der Nährboden ist, auf dem unliebsame Dinge gedeihen. Zu diesen Dingen gehört auch die ausufernde Polizeigewalt, die jedoch völlig unabhängig vom Nährboden abgestellt werden muss.
Es muss kaum noch etwas über den gegenüber George Floyd eingesetzten Würgegriff gesagt werden, auch nicht über die Zeitspanne, die sein Mörder damit verbracht hat, seine Tat genüßlich zu vollenden gegen jeden Protest umherstehender Beobachter und gegen jegliche Klage seines Opfers, nicht atmen zu können. Eine Polizei, die sich aus Charakteren solcher Natur formiert, verliert in einem Rechtsstaat ihre Legitimation. Sie kann sich keinesfalls damit herausreden, dass sie lediglich einen ohnehin bestehenden gesellschaftlichen Rassismus reflektiert.
Das eilfertige Bekenntnis von Saskia Esken, der Co-Vorsitzenden der SPD, auch innerhalb der deutschen Polizei gebe es ein (latentes) Rassismusproblem, ist vor diesem Hintergrund mit Befremden aufzufassen. Es kommt daher wie ein ungefragter Beitrag zur Debatte und hat zum politischen Diskurs in Deutschland kaum beigetragen. In der Tat handelt es sich bei Eskens Äußerung um eine „politisch korrekt“ gemeinte Einlassung, die in Stil und Inhalt anderen typischen deutschen Selbstgeißelungen entspricht, die wir auch in der Antisemitismusdebatte wiederholt verzeichnen dürfen.
Wesentlich ist nun der Blick über den Atlantik und die Frage, ob und wie eine Polizeireform in den USA sich gestalten könnte. Die etablierten Kräfte, und dazu gehören Republikaner und Demokraten, sind an einer Beruhigung und anschließenden Vertagung des Problems interessiert. Nur vereinzelt finden sich Fürsprecher radikaler Änderungen, die die ausufernde Polizeigewalt beenden könnten. Die augenblicklichen Massendemonstrationen werden, sofern sie friedlich verlaufen, keine Änderungen bewirken. Abgesehen hiervon liegt es wohl unmittelbar im Wahlrechtssystem der USA, dass keine grundlegenden und systemverändernden Kräfte in die Regierungsverantwortung berufen werden.
Damit bleiben allenfalls noch die Multiplikatoren, die wir dieser Tage am Bildschirm beobachten konnten: wütende Massen, die sich um die verlangte Friedfertigkeit politischer Demonstration nicht mehr scheeren, bis hin zu raubenden und plündernden Zusammenschliessungen, die geeignet sind, dem amerikanischen Publikum den Ernst der Lage eindrucksvoll zu vermitteln.
Der Einsatz der Nationalgarde ist für amerikanische Verhältnisse nicht allzu ungewöhnlich. Trumps Drohung hingegen, auch die US-Armee im Inneren einzusetzen, gleicht einer Kriegserklärung, und nur durch ihre Rücknahme hat er letztlich erreicht, dass die Lage bisher nicht weiter eskaliert ist. Dies ist im Hinblick auf das Ziel der politischen Aktivitäten nahezu bedauerlich, weil hier latent die oben beschriebene Gefahr abschließender Beruhigung und eines vom System herbeigesehnten weiter so lauert.
Es bleibt dem europäischen Zuschauer indes nur das Abwarten. Schafft es die US-amerikanische Gesellschaft, sich auf Dauer von der beschriebenen Art von Polizeigewalt zu befreien, könnte ihr eine tiefgreifende Relegitimation als Vorzeigebeispiel westlicher Demokratie ins Haus stehen. Sollte dem nicht so sein, sehe ich keine Umkehrmöglichkeit mehr auf dem Wege in eine Oligarchie einer kleinen Gruppe von Superreichen, die ihre Macht durch Sättigung der Massenbedürfnisse und einen brutalen Polizeistaat festigen.
Autor: Marcus Greferath